Das Bild, dass die
meisten von Malaysia haben, ist wahrscheinlich ein Land, voller
Wellblechhuetten, Jungel und matschiger Schlammstrassen. Nun dieses
Bild entspricht ueberhaupt nicht der Realitaet. Malaysia ist
vielleicht das fruchtbarste Land der Welt: Es liegt mitten in den
Tropen, hat ausreichend Regen, guten Boden und wird von
Naturkatastrophen, wie dem Taifun, der gerade auf den Philippinen
wuetet, gewoehnlicherweise verschont. Man kann 3 mal im Jahr Reis
ernten, Fruechte gibt s das ganze Jahr ueber und man kann in jedem
Abwasserkanal Fisch finden. Die Strassen sind gut (es gibt weniger
Schlagloecher als in Berlin), das Flughafennetz (die Fluege sind
unglaublich guenstig – 20 Euro fuer einen Regionalflug sind viel)
recht dicht. Mit dem oeffentlichen Transportsystem (Busse und Zuege)
haperts noch ein bisschen (gibt kaum Fahrplaene und der Zug braucht
fuer 450 Km 12 Stunden). Es wird viel gebaut und man sieht so gut wie
kein Haus das aelter ist als 20 Jahre (vor dem Boom gebaut wurde),
was ich sehr anstraengend finde, da ich alte Haeuser liebe und die
Staedte schlicht nicht voneinander zu unterscheiden sind. Fast jeder
kann sich ein Auto und ein eigenes Heim leisten, viele haben 3,
4 oder 5 Waegen. Malaysia stellt sogar eigene Autos her (Proton), die
bei deutschen Autobahngeschwindigkeiten zwar auseinanderbrechen
wuerden, aber fuer Malaysia ausreichen. Desweiteren ist das Land
reich durch Oel (das Petronas Logo kennen viele wahrscheinlich von
der Fromel 1) und die riesige Hightechindustrie.
Es gibt in der Naehe
von Kulim, wo ich Deepavali verbracht, habe einen Hightechpark, der
jeder deutschen Industrielandschaft Konkurenz macht. Fabrikconatiner
fuer Solarplatten und Mikrochips, die sich ueber gefuehlte Kilometer
erstrecken. Die Namen der Firmen sind beeindruckend: Intel, Fujifilm,
Panasonic und Sony um nur ein paar zu nennen. Solche Hightechparks
finden sich im ganzen Land und sind einer der Hauptmotoren des
Malaysischen Wirtschaftsbomms (seltsam, wie Deutschland die
Computer-(produktions) Revolution verschlafen hat).
Die Einkommen sind
zwar noch sehr viel niedriger als in Europa, aber da alles so viel
guenstiger (ich stell mal bald eine Preisvergleichliste rein) ist,
ist die Kaufkraft eines Malayen wohl etwa so gross, wie die eines
durchschnittlichen Polen. Mit einer intellegenten, wenn auch
nervenden, Steuerpolitik werden Importwaren unerschwinglich gemacht
und so die lokale Wirtschaft gefoerdert.
Vom
durchschnittlichen Reichtum her ist Malaysia also definitiv kein 3.
Welt Land mehr, aber ist es deswegen auch ein fortschrittliches Land?
Fortschritt wird meistens mit den Massstaeben der eigenen Kultur
gemessen, was mich frueher immer sehr aufgeregt hat. Trotzdem will
ich es heute einmal selber machen, denn ich stelle meine alte
Ueberzeugung (Kulturen und Laender muessen sich zu 100 Prozent aus
sich selber entwickeln) immer mehr in Frage. Wo endet Tolleranz und
wo beginnt weggucken?
Malaysia ist eines
der kulturell reichsten Laender der Welt. Hier leben Chinesen, Inder
und malaysische Muslime seit langer Zeit relativ friedlich zusammen.
Doch dass es friedlich ist, heisst nicht, dass es tollerant zugeht.
Gesetzlich werden die Muslime stark bevorteilt und offiziell ist es
zwar ein Land, mit freier Religionsausuebung, aber dennoch wird der
Islam als Staatsreligion zelibriert. Vor jeder oeffentlichen Rede und
jeder Schulstunde wird die erste Sure des Islam (al-Fatiha) rezitiert
und jeder der einen Mulim oder eine Muslima heriaten will, muss
selber kovertieren, wodurch immer mehr Inder und Chinesen auch in den
Islam „gepresst werden“. Es gibt eine muslimische Moralpolizei,
die solche bestraft, die waehrend des Ramadans oeffentlich essen oder
sich oeffentlich kuessen. In der Schule ist das Kopftuch fuer
muslimische Maedchen verpflichtend.
Im allgemeinen haben
Frauen sehr viel weniger Rechte, und obwohl Malaysia wahrscheinlich
einen hoeheren Prozentsatz an Studierenden hat als Deutschland, so
habe ich doch oft das Gefuehl, dass es die Maedchen sind, fuer die
sich die Familien nicht aufopfern.
In Kulim habe ich
ein 20 jaehriges Maedchen kennen gelernt, dass seit sie 19 ist 12-14
h am Tag fuer 1,25 Euro die Stunde arbeitet, um ihrer Schwester ihr Studium
zu finanzieren, nach der Arbeit ist sie noch Putzfrau und
Kindermaedchen fuer die Familie ihres Onkels, bei dem sie lebt. Sie
ist unglaublich huebsch, in Deutschland wuerde sich wohl jeder Junge
darum reissen, ihr Gefallen zu tun, aber hier muesste sie wohl
heiraten um nicht mehr soviel arbeiten zu muessen, sondern studieren
zu koennen. Koennte jetzt hier noch einige solche Beispiele anfuegen,
aber ich will noch ein Thema anfuegen:
Respekt und
Disziplin. Die Hierarchie in der Gesellschaft ist enorm und
durchdringt auch die Familien komplett. Kleine Geschichte zum Thema:
Als wir beim Tasik Banding die Hausboottour gemacht haben, forderte
mich eine etwas dickliche, vielleicht 50 jaehrige Frau, dazu auf,
ihre Handtasche zum Boot runterzutragen. Ich schleppte schon schwer,
an 2 10Liter Kanistern Wasser und sie trug sonst nichts. Ich hatte
sie noch nie vorher gesehen und dennoch waere es einer Beleidigung
gleichgekommen, wenn ich mich verweigert haette. Hier muss ich
einfuegen, dass ich als Europaeer noch sehr viel besser behandelt
werde. Ach ja, in der Schule duerfen Lehrer Schueler schlagen, im
allgemeinen ist es normal dass Ehemaenner ihre Frauen, Eltern ihre
Kinder und die groesseren Geschwister ihre Kleineren zuechtigen. Ich
werde hiervon aber gluecklicherweise verschont.
Koennte hier jetzt
noch lange weiterschreiben, will aber langsam mal zum Schluss kommen.
Ich denke, dass Malaysia vom Wohlstand durchausdas Niveau Europas
erreicht hat, dennoch wirken aber grosse Teile der Kultur noch recht "veraltet" auf mich (worin aber auch ein grosser Pluspunkt ist, den ich hier nicht weiter erleutern will) und ich habe ein generelles Problem damit, wenn
sich jemand aus hierarchischen Gruenden ueber einen stellt. Sei es
der Mann ueber die Frau, der Muslim ueber den Inder oder diese
nervige Dame ueber mich.