Mittwoch, 13. November 2013

Malaysia - ein 3. Welt Land?

Das Bild, dass die meisten von Malaysia haben, ist wahrscheinlich ein Land, voller Wellblechhuetten, Jungel und matschiger Schlammstrassen. Nun dieses Bild entspricht ueberhaupt nicht der Realitaet. Malaysia ist vielleicht das fruchtbarste Land der Welt: Es liegt mitten in den Tropen, hat ausreichend Regen, guten Boden und wird von Naturkatastrophen, wie dem Taifun, der gerade auf den Philippinen wuetet, gewoehnlicherweise verschont. Man kann 3 mal im Jahr Reis ernten, Fruechte gibt s das ganze Jahr ueber und man kann in jedem Abwasserkanal Fisch finden. Die Strassen sind gut (es gibt weniger Schlagloecher als in Berlin), das Flughafennetz (die Fluege sind unglaublich guenstig – 20 Euro fuer einen Regionalflug sind viel) recht dicht. Mit dem oeffentlichen Transportsystem (Busse und Zuege) haperts noch ein bisschen (gibt kaum Fahrplaene und der Zug braucht fuer 450 Km 12 Stunden). Es wird viel gebaut und man sieht so gut wie kein Haus das aelter ist als 20 Jahre (vor dem Boom gebaut wurde), was ich sehr anstraengend finde, da ich alte Haeuser liebe und die Staedte schlicht nicht voneinander zu unterscheiden sind. Fast jeder kann sich ein Auto und ein eigenes Heim leisten, viele haben 3, 4 oder 5 Waegen. Malaysia stellt sogar eigene Autos her (Proton), die bei deutschen Autobahngeschwindigkeiten zwar auseinanderbrechen wuerden, aber fuer Malaysia ausreichen. Desweiteren ist das Land reich durch Oel (das Petronas Logo kennen viele wahrscheinlich von der Fromel 1) und die riesige Hightechindustrie.
Es gibt in der Naehe von Kulim, wo ich Deepavali verbracht, habe einen Hightechpark, der jeder deutschen Industrielandschaft Konkurenz macht. Fabrikconatiner fuer Solarplatten und Mikrochips, die sich ueber gefuehlte Kilometer erstrecken. Die Namen der Firmen sind beeindruckend: Intel, Fujifilm, Panasonic und Sony um nur ein paar zu nennen. Solche Hightechparks finden sich im ganzen Land und sind einer der Hauptmotoren des Malaysischen Wirtschaftsbomms (seltsam, wie Deutschland die Computer-(produktions) Revolution verschlafen hat).
Die Einkommen sind zwar noch sehr viel niedriger als in Europa, aber da alles so viel guenstiger (ich stell mal bald eine Preisvergleichliste rein) ist, ist die Kaufkraft eines Malayen wohl etwa so gross, wie die eines durchschnittlichen Polen. Mit einer intellegenten, wenn auch nervenden, Steuerpolitik werden Importwaren unerschwinglich gemacht und so die lokale Wirtschaft gefoerdert.
Vom durchschnittlichen Reichtum her ist Malaysia also definitiv kein 3. Welt Land mehr, aber ist es deswegen auch ein fortschrittliches Land? Fortschritt wird meistens mit den Massstaeben der eigenen Kultur gemessen, was mich frueher immer sehr aufgeregt hat. Trotzdem will ich es heute einmal selber machen, denn ich stelle meine alte Ueberzeugung (Kulturen und Laender muessen sich zu 100 Prozent aus sich selber entwickeln) immer mehr in Frage. Wo endet Tolleranz und wo beginnt weggucken?
Malaysia ist eines der kulturell reichsten Laender der Welt. Hier leben Chinesen, Inder und malaysische Muslime seit langer Zeit relativ friedlich zusammen. Doch dass es friedlich ist, heisst nicht, dass es tollerant zugeht. Gesetzlich werden die Muslime stark bevorteilt und offiziell ist es zwar ein Land, mit freier Religionsausuebung, aber dennoch wird der Islam als Staatsreligion zelibriert. Vor jeder oeffentlichen Rede und jeder Schulstunde wird die erste Sure des Islam (al-Fatiha) rezitiert und jeder der einen Mulim oder eine Muslima heriaten will, muss selber kovertieren, wodurch immer mehr Inder und Chinesen auch in den Islam „gepresst werden“. Es gibt eine muslimische Moralpolizei, die solche bestraft, die waehrend des Ramadans oeffentlich essen oder sich oeffentlich kuessen. In der Schule ist das Kopftuch fuer muslimische Maedchen verpflichtend.
Im allgemeinen haben Frauen sehr viel weniger Rechte, und obwohl Malaysia wahrscheinlich einen hoeheren Prozentsatz an Studierenden hat als Deutschland, so habe ich doch oft das Gefuehl, dass es die Maedchen sind, fuer die sich die Familien nicht aufopfern.
In Kulim habe ich ein 20 jaehriges Maedchen kennen gelernt, dass seit sie 19 ist 12-14 h am Tag fuer 1,25 Euro die Stunde arbeitet, um ihrer Schwester ihr Studium zu finanzieren, nach der Arbeit ist sie noch Putzfrau und Kindermaedchen fuer die Familie ihres Onkels, bei dem sie lebt. Sie ist unglaublich huebsch, in Deutschland wuerde sich wohl jeder Junge darum reissen, ihr Gefallen zu tun, aber hier muesste sie wohl heiraten um nicht mehr soviel arbeiten zu muessen, sondern studieren zu koennen. Koennte jetzt hier noch einige solche Beispiele anfuegen, aber ich will noch ein Thema anfuegen:
Respekt und Disziplin. Die Hierarchie in der Gesellschaft ist enorm und durchdringt auch die Familien komplett. Kleine Geschichte zum Thema: Als wir beim Tasik Banding die Hausboottour gemacht haben, forderte mich eine etwas dickliche, vielleicht 50 jaehrige Frau, dazu auf, ihre Handtasche zum Boot runterzutragen. Ich schleppte schon schwer, an 2 10Liter Kanistern Wasser und sie trug sonst nichts. Ich hatte sie noch nie vorher gesehen und dennoch waere es einer Beleidigung gleichgekommen, wenn ich mich verweigert haette. Hier muss ich einfuegen, dass ich als Europaeer noch sehr viel besser behandelt werde. Ach ja, in der Schule duerfen Lehrer Schueler schlagen, im allgemeinen ist es normal dass Ehemaenner ihre Frauen, Eltern ihre Kinder und die groesseren Geschwister ihre Kleineren zuechtigen. Ich werde hiervon aber gluecklicherweise verschont.

Koennte hier jetzt noch lange weiterschreiben, will aber langsam mal zum Schluss kommen. Ich denke, dass Malaysia vom Wohlstand durchausdas Niveau Europas erreicht hat, dennoch wirken aber grosse Teile der Kultur noch recht "veraltet" auf mich (worin aber auch ein grosser Pluspunkt ist, den ich hier nicht weiter erleutern will) und ich habe ein generelles Problem damit, wenn sich jemand aus hierarchischen Gruenden ueber einen stellt. Sei es der Mann ueber die Frau, der Muslim ueber den Inder oder diese nervige Dame ueber mich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen